…erstaunt waren wir, dass sich der kasachische Zoll überhaupt nicht für die Autopapiere interessierte. Das Gespräch ging wiedermal lediglich um Fußball. Später bekamen wir heraus, dass Russland, Kasachstan und Weißrussland eine Zollunion eingegangen sind und so gibt es für das Auto keine neue Zolldeklaration bei der Einreise nach Kasachstan.
Die Fahrt in den Süd-Osten nach Almaty führte über katastrophale Straßen. Gar keine Straße wäre besser gewesen. Die karge, steppenähnliche Landschaft gab nicht viel her und so kam es uns wie eine Ewigkeit vor.
Nun gut, Kasachstan ist ein riesiges Land. Überall wird an neuen Straßen gebaut. Hauptsraßen sind vielerorts bereits durchgängig erneuert, aber wir meiden nun mal viel befahrene Straßen. Kasachstan befindet sich im Umbruch. Öl, Gas sowie viele andere Bodenschätze, unter anderem auch Gold und Kupfer, haben sie ja genug.
Almaty liegt schön am Füße der Ile-Alatau-Berge, einem Ausläufer des Tian Shan. Der Straßenverkehr ist chaotisch. Es wird gestresst, gehupt und vorgedrängelt. Es stellt sich immer wieder die Frage, wozu das gut sein soll, warum stets so eine Hektik verbreitet wird. Es kommt doch sonst auch keiner aus der Hose. Schaut man sich die auffällig vielen Luxus-Autos an, liegt die Vermutung nahe, dass hier wohl Big-Business gemacht wird – oft mit Öl. Die Gewinner des Aufschwungs nehmen sich ziemlich viel raus und denken womöglich, dass sie sich an keine Regeln halten müssten. Almaty ist eine sich schnell entwickelnde und zum Teil moderne Stadt. Gar nicht so hässlich und für und uns strategisch günstig.
Hier können wir das usbekische Visum und Ersatzteile für die Karre organisieren. Sehr praktisch ist auch, dass sich direkt im Süden der Stadt ein Nationalpark in den Bergen anschließt. Dort kann man an vielen Stellen offiziell kostenlos campen (nur an manchen Zugängen wird ein Minibetrag kassiert). Es ist landschaftlich wunderschön und überall gibt es Flüsse und Quellen mit bestem Trinkwasser. Je höher man auf den Weg in die Berge kommt, desto kühler wird das Klima und die Luft merklich besser. Natürlich wohnen hier auch die betuchten Almatiner.
Kasachstan ist historisch bedingt echt multi-kulti. Deutlich ist das in Almaty an den Gesichtern zu erkennen. Russen, Koreaner, Griechen, Türken, Mongolen, Perser, Chinesen, Polen, Deutsche, um nur ein paar zu nennen, leben hier mit den Kasachen recht friedlich zusammen. Dementsprechend gibt es auch viele schicke, spezielle Mädels.
An der usbekischen Botschaft, die als solche kaum zu erkennen war, wollten wir unseren vorher aus dem Internet ausgedruckten Visa-Antrag abgeben. Da es keinerlei System gab, ging es völlig chaotisch zu. Also hieß es mal wieder „aktives Anstellen“ um erst mal überhaupt hinein zu kommen. Das heißt, man lässt auf gar keinen Fall auch nur 1cm Platz zu seinem Vordermann, fährt die Ellenbogen aus und beobachtet die drängelnde Masse, um sich günstig zu platzieren und um das schleichende Vordrängeln zu unterbinden. Tut man das nicht, bekommt man eher einen langen Bart bevor man irgendwann vielleicht mal dran ist. Die Räumlichkeiten waren völlig heruntergekommen und das Gedrängel ging dort in abgeschwächter Form weiter. Wir konnten einige genervte Leute beobachten, die mit der schwer durchschaubaren Bürokratie zu kämpfen hatten. Erstaunlich gelassen ertragen sie es. Auf unsere Frage, wann denn unser Visum zur Abholung bereit sei, hieß es „7 Tage“. Auf unsere höfliche Bitte es so schnell wie möglich auszustellen, da unser Kasachstan-Visum demnächst ausläuft, kam die Antwort: „Tschaaaa, das kostet dann aber mehr…(dämliches Grinsen)“ … ahaaa, „Speedmoney“ … da stehen wir ja voll drauf. Auf unsere Anmerkung, dass das 14-Tage Visum ja schon 70,-US$ kostet, kam die Antwort: „Ihr Deutsche habt doch genug Geld…“ Ab da kam eine gewisse Unsicherheit auf, ob das tatsächlich gut geht … wir werden es ja in einer Woche sehen…
Bevor wir Kasachstan erkunden konnten, mussten wir uns als erstes registrieren. Ein Überbleibsel der sowjetischen Paranoia. Normalerweise wird das vom Hotel organisiert und kostet dann noch 25,-US$. Nun pennen wir aber nicht in Hotels und dann noch 50,-$ für die Registrierung zahlen, kam für uns nicht in Frage. Laut Reiseführer muss man masochistisch veranlagt sein, um sich beim OVIR (Meldestelle) kostenlos selbst zu registrieren. Masochistisch? … gut, kein Problem, sind wir … also auf geht’s. Es war gar nicht so schlimm. Wir hatten in nur einer Stunde unseren Stempel und somit eine lästige Sache weniger an der Backe.
Nun musste noch der Auspuff geschweißt werden, da unsere ohnehin schon laute Karre noch mehr dröhnte.
Nach der Beschaffung kleinerer Ersatzteile ging es dann endlich los. Wir fuhren Richtung Norden zum Qapshaghay-Stausee. Auf dem Weg passierten wir unzählige Spiel-Casinos mit dementsprechenden Hotels. Diese pompösen Bauten mit Luxuswagen davor boten einen seltsamen Kontrast zur kargen Umgebung.
Als wir endlich am Tor zum Altyn-Emel-Nationalpark bei Shenggeldi angekommen waren, mussten wir feststellen, dass wir nicht passieren durften. Irgend so eine Genehmigung wäre dafür nötig. So mussten wir wieder umdrehen und einen ziemlich großen Umweg nach Saryözeck fahren. Hier standen wir wieder vor einer verschlossenen Schranke. Der Wächter schickte uns in das nahe gelegene Örtchen Bashi, um die Einfahrtsgenehmigung zu holen. Dort angekommen wollte man uns nicht ohne Guide in den Nationalpark und damit nicht zu den singenden Dünen lassen. Also probierten wir es weiter westlich ein drittes Mal. Abermals wurden wir von einem Ranger aufgehalten. Somit sind wir erneut gescheitert, dabei war unser Plan, den Altyn-Emel-Nationalpark zu besuchen, doch so einfach…
Nun gut, unverrichteter Dinge wieder zurück und abermals Dieselverbrauchsfahren um dann über Umwege durch Köktal weiter zum Sharyn-Canyon. Zum Glück ist hier der Diesel mit 0,50€ sehr billig.
Am Canyon angekommen waren wir trotz schlechtem Wetter von seiner Schönheit beeindruckt. Unsere erste Nacht verbrachten wir oben am Canyon Rand bei sehr starken Wind. Apropos Wind: irgendwie bläst der Wind sehr oft, so dass Kasachstan bei uns den Spitznamen „Windistan“ bekam.
Am Ende eines Seitentals, dem „Castle Valley“, befindet sich direkt am Fluss ein wunderschöner Campingplatz.
Hier verbrachten wir zwei weitere Nächte und die Tage waren sehr schön und heiß. Eine Engstelle im Tal hätte dieses Vergnügen fast verhindert. Gerade so kamen wir mit der Karre durch. Bei Sonnenaufgang sahen die skurrilen Felsformationen im orange-gelben Licht besonders schick aus.
Auf dem Weg zurück nach Almaty schauten wir noch bei einem fast ausgetrocknetem, türkis schimmernden See vorbei. Wir hatten uns dort einen schönen Nachtplatz erhofft, fuhren aber etwas enttäuscht weiter. Zurück im Ile-Alatau-Nationalpark suchten wir uns diesmal in einem anderen Tal einen schönen Übernachtungsplatz an einem See.
Wie wir gerade so am Abendbrot zubereiten sind, kamen zwei kasachische Pärchen vorbei und luden uns zu Schaschlik und Wodka ein. Widerrede gab es nicht – hoch die Tassen … ääähhh Becher на здоровье! (na sdarowje!) Wie so oft drehte sich das Thema um Kinder, Frau, Hochzeit und Deutschland. Die eine Dame hieß wohl mit Nachnamen Wagner …
Nun war es an der Zeit unser Visum abzuholen. Uns graute es vor dem Chaos. Und natürlich ging es wieder drunter und drüber. Die Wartenden machten sich gegenseitig an und jeder wollte der Erste sein. Irgendwann waren wir endlich dran. Wir schauten durch das Minifenster und mussten erfahren, dass es angeblich Probleme mit dem Visum gibt … diesen Gesichtsausdruck kennen wir schon – uns war sofort klar, der Grattler will Knete sehen. Angeblich ginge es dann am Samstag „… aber am Samstag ist doch das Büro geschlossen…“ … „ … na ja (gieriger Gesichtsausdruck), ich könnte das für euch schon tuuun …“ … „ … na dann können wir eben ihr Land nicht besuchen – vielen Dank!“ … dieser Fritze! – niemals würden wir so einem Typen auch noch für seine Frechheit belohnen … bloß wieder raus aus dem „Schibulgen*-Laden“ … raus ging aber nicht, die Tür in die Freiheit war verschlossen. Trotz Winken in die Kamera passierte nix. Wahrscheinlich funktioniert diese eben sowenig wie die Gegensprechanlage. Also wieder zurück latschen und durch Rufen um Öffnung bitten. So einen unglaublich hohen Grad an Ineffizienz kann man sich gar nicht vorstellen. Der Ärger wich recht schnell, denn es gibt genug anderes interessantes zu sehen und wir ersparten uns das extrem lästige Registrierungsgezeter in Usbekistan. Dort muss man sich wohl täglich registrieren und auch noch anderen Schikanen aussetzen wie: „kein Dieselverkauf an Privatpersonen“. Zumindest ist es offiziell so. Leider haben dadurch die „Schibulgen“ ihr Ziel erreicht und es sind zwei Touris weniger im Land. Schaut man sich die Innenpolitik Usbekistans an, kann man feststellen, dass keinerlei Interesse daran besteht, dass irgendjemand das Land zu intensiv bereist und vielleicht zu viel mitbekommt. Zu Fuß, also mit dem Rucksack von Hotel zu Hotel und somit nur an den touristischen Highlights vorbeikommend, das ist es was die usbekische Regierung will. Schade ist nur, dass wir durch diese Behörden-Aktion nicht die korrekten Usbeken kennenlernen konnten und wir einen sehr schlechten Eindruck von Usbekistan bekommen haben. Wir sind uns sicher, dass die Usbeken selbst dies nicht verdienen. Leider konnten wir so die wunderschönen, interessanten und historischen Bauwerke auch nicht bewundern.
Bevor wir weiter fuhren war noch ein Ölwechsel fällig. Erstaunlicherweise war das Öl im Ölland Kasachstan recht teuer.
Von Almaty haben wir direkt Bishkek in Kirgistan angesteuert. .
An der Grenze herrschte wiedermal das blanke Chaos. Jeder wollte der erste sein und so wurde um jeden Meter gekämpft. Als wir endlich das Tor zum Grenzübergang passierten, wurde uns erklärt, dass wir sämtliche Autopapiere als Kopie in zweifacher Ausführung benötigen. Also lief Gunter wieder zurück, um die Dokumente in irgend einem Laden vor dem Grenzübergang zu kopieren. So verdienen alle mit – is ja auch gut.
Seit der Mongolei ist es nicht mehr üblich sich anzustellen. Es wurde wieder mal „aktives Anstellen“ nötig. So musste Gunter, der diesmal zu Fuß passieren musste, wieder mitdrängeln. Ob das Prinzip der Reihenfolge niemand versteht oder ob das Gedankenlosigkeit oder gar Dreistigkeit ist, haben wir bisher noch nicht herausbekommen.
Der Immigrationsfritze wollte noch das Kirgistan-Visum sehen … ätsch, das brauchen wir nicht, die Kirgisen lassen uns ohne rein…
* Schibulgen: Bürger des diktatorisch geführten, höchst korrupten, fiktiven und nicht anerkannten Staates Schibulgistan.