Sachalin – der ferne Osten

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…eben noch im organisierten, blitzeblanken, sicheren und aufgeräumten Japan, völlig nüchtern – und jetzt, noch nicht mal auf russischen Boden und schon besoffen… Na-Sdrowije! (Das werden wir wohl jetzt noch öfters hören)
Auf unserer Fähre, der „Eins Soya“ (ja, so heißt die),von Wakkanai (JPN) nach Korsakov (RUS), fuhren einige Russen und Kasachen mit. Sie arbeiteten auf Fischerbooten und japanischen Krabbenfängern. Natürlich wurden wir gleich eingeladen. Alexej ist Großvater geworden und hatte feinsten Suntory-Whisky ausgegeben (neeein, natürlich nicht nur eine Flasche) … da half kein „Nein danke.“ … „Ich muss doch nücht … „ keine Widerrede – Gunter musste sich dazusetzen. So nahmen die Dinge ihren Lauf…

Die Schifffahrt hat zwar nur 5 Stunden gedauert, aber einen Zeitraum von 50 Jahren überbrückt – da haben doch die Japaner tatsächlich ´ne Zeitmaschine erfunden.
Stell dir eine Hafenstadt im fernen Osten Russlands vor! Genauso sah Korsakov aus. Der Braunkohle- und Holzofengeruch lag in der Luft … das Abenteuer beginnt jetzt endlich!

Wie das immer so bei der Seefahrerei ist; wenn man in ein anderes Land kommt, wird es kompliziert. Keine Ahnung was genau der Unterschied zu einer Landgrenze ist, aber vom Wasser her zu kommen ist immer etwas komplexer.
Wir waren auch gleich einem zwielichtigen, älteren und grauhaariger Mann ausgeliefert, der alles in die Hand genommen hatte. Das kostet natürlich wieder Geld – klar … und da isses passiert: die Angabe des Hubraums unseres Toyota-Motors war nicht korrekt. Jedes mal das Gleiche. Hunderte Formulare, Unterlagen, Beglaubigungen, Kopien und Stempel, aber am Ende stimmt dann doch wieder etwas nicht. Mittlerweile sind wir ja „in Übung“, aber irgendwie kann man einfach nicht an alles denken. Auch wenn Claus das Formular mit den Angaben des Autos korrekt ausgefüllt hat, so wurden dann doch die Informationen vom abfotografierten Schild im Motorraum genommen. Jedoch wurde der Motor weit vor unserer Zeit getauscht und so wurde aus einem 5 Zylinder (PZJ) ein 6 Zylinder (HZJ) Toyota. Nun konnte ja keiner Ahnen, dass trotz der korrekt ausgefüllten Formulare dann doch letztendlich das Foto hergenommen wurde um dann wiederum ein Formular auszufüllen, welches letztendlich die Japaner dem russische Zoll übergeben. Die Abschrift der Abschrift sozusagen – das kann ja nicht gut gehen. Das hat noch nie funktioniert! Da fragt man sich doch, warum dieser ganze Mist eigentlich immer ausfüllt werden soll.
Nicht gut, so was wird dann zum richtigen Problem, wenn das Jemandem bei der Ausreise auffällt …bei den Ägyptern könntest du da gleich wieder umdrehen.
Wie auch immer, wir bestanden darauf, dies zu korrigieren. Der zwielichtige, Zollagent bekam schlechte Laune, fluchte und stöhnte, dass das jetzt so richtig kompliziert werden würde. Ooohhh – na das kann ja was werden…
Da nun keiner diesen Stress gebrauchen konnte, schaute der Zoll nicht so genau hin und letztendlich war die ganze Zollaktion dann doch leichter als gedacht. Unsere Versicherung, welche natürlich auch in Russland gilt, wurde nicht anerkannt. Also mussten wir trotzdem eine abschließen. Is ja nix Neues, das war zu erwarten.
Mit auf dem Kahn war ein älterer Japaner mit einer niegelnagelneuen, völlig unpraktisch beladenen Suzuki ST250. Er hatte so eine Jeans-Style Motorradkluft an.

70 Jahre alter Japaner auf Reisen (Russland)

70 Jahre alter Japaner auf Reisen

So will er durch Russland, danach in die Mongolei und anschließend hoch nach Finnland. Na das ist mal richtig mutig! So gut wie kein Englisch, kein Russisch, alleine mit `ner sackschweren Reisetasche hinter dem Sitz (Claus hat beim Tragen geholfen u. konnte sie kaum heben), darunter noch ein Aktenkoffer (was da wohl drin war?) und da wo es angebracht wäre, an den Seiten, waren nur zwei kleine Ledertaschen, solche mit Gürtelschnallen. Is zwar Harley-mäßig lässig, aber auch nicht gerade praktisch. Ganz so jung war er auch nicht mehr. An seinem Erscheinungsbild und der Ausstattung konnten wir deutlich sehen, dass das ganz sicher seine erste Reise dieser Art ist.
Zurück zur Einreise; Uns war der Luxus gegönnt, mit dem Fahrservice zum Immigrations-Büro gebracht zu werden. Der Japaner mit seiner Karre hinterher. Auf dem Pier lag ein Köter. Der hat sich kein Millimeter gerührt und der Fahrer ist schließlich drumherum gefahren. Der junge Zöllner lachte und meinte: „Russian dog!“ Dann wurde der Japaner auf seinem Moped von mehreren Hunden „angegriffen“ – Das haben alle Köter gemein: Irgendwie haben die´s weltweit auf Mopeds abgesehen.
Die Einreise war kein größerer Akt – kein Problem. Am Ausgang wartete schon die Versicherungsdame. Wir waren gespannt was das nun Summa Summarum so kosten wird. Naaa ja: es war nicht gerade günstig, aber alles war erledigt und wir waren … nein halt … nur noch die Desinfektion der Räder (die war erstaunlicherweise kostenlos, wenn gleich auch völlig sinnlos) …jetzt haben wir es aber tatsächlich geschafft – wir sind in Russland, genauer gesagt: auf der vorgelagerten Insel Sachalin.

Korsakov macht nun nicht gerade was her. Eine völlig abgeranzte Stadt, oder kommt uns das nur so vor …?
Aber; es gab alles was man braucht. Es werden hier sinnvollerweise 4×4 Autos gefahren. Alles Gebrauchtwagen-Japanimporte, also fast alles Rechtslenker trotz Rechtsverkehr … jaja, nach ca. 36000km fahren wir endlich wieder auf der „richtigen“ Seite.
Wir wollten uns nicht groß aufhalten, also weg hier und direkt zum Schlammvulkan bei Yuzhno Sachalin. Unterwegs erfreute uns der Dieselpreis und man spürte die Weite Russlaaa … äähh, wir sind ja eigentlich noch auf´ner Insel…

Die schlechte Asphaltstraße wurde noch schlechter und … ne Stopp. Hier ist ein Laden. Jetzt schauen wir mal, was es denn so Schönes gibt. Gespannt betraten wir den Laden (Magazin) … och, doch – ziemlich gefüllt und auf den ersten Blick alles Notwenige vorhanden und noch mehr … viel mehr. Der Laden war in diesem typischen „Theken-Style“. Eine scheinbar schlecht gelaunte Verkäuferin schaute grimmig über die Vitrine. Wir nahmen all unseren Mut zusammen und sprachen sie an: „Sdrasdwudje!“ Es gab richtigen Käse, leckere Wurst, bezahlbares Bier und … „U was jest chleb?“ (Haben sie Brot?) …„Njet!!!“ … ooochh schaaade man. Wir hatten uns schon sooo sehr darauf gefreut. Aber wir hatten da ja noch richtig „leckeres“ japanisches Toastbrot … aber mit echtem Käse schmeckt selbst das.
Also weiter. Die schlechte Asphaltstraße wurde zu einer Schlaglochpiste, Schlaglochslalom war angesagt. Dabei scherte auch schon mal plötzlich der Gegenverkehr ruckartig aus und stand plötzlich vor unserer Motorhaue.
Dann kein Asphalt mehr. Weiter auf Rumpelpiste, vorbei an zerfallenen Zäunen und scheinbar unbewohnten Häusern, ab da schließlich über Schlammpiste durch den Wald. Jahhh!!! … es geht los! Endlich Action. Mit Stöcken die Tiefe und den Untergrund des Wasserlochs ausgelotet und los ging’s … voll eingekracht. Unter dem Schlammwasser war Eis. Aber alles kein größeres Problem. Nach ein paar weiteren Schlammlöchern standen wir vor einem steilen Hang mit recht tiefen, nassen Schnee. Obgleich wir wussten, dass wir keine Chance hatten, nutzen wir sie … klar, wir kamen nicht weit.

modderig (Russland)

modderig

Es war bereits spät. Uns kam es aber nicht so vor, da wir von Japan gewöhnt waren, dass es 19:00 dunkel ist. Jetzt sind wir aber wieder in der „richtigen“ Zeit und somit war es 20:00 noch hell. Wir schlugen unser Nachtlager hier auf. Dann gab es als allererstes ein „Willkommen in Russland Bier“ – ein „Amur“ – und natürlich Wodka. Na-Sdrowije!

russischer Vodka mit japanischem Grapefruitsaft (Russland)

Japanisch-Russische Freundschaft

Es war wunderbar. Ein Haufen Platz, keine Menschenseele weit und breit und es war angenehm warm. Die erste Nacht in Russland …
Das Frühstück fand im Freien statt, bei strahlend blauen Himmel und Sonnenschein. Leider sind wir ja gestern gescheitert, also nix mit Schlammvulkan und so fuhren wir denselben Weg wieder zurück. Bei der nächsten Gelegenheit kauften wir Brot – ja! Hurra: richtiges Brot. Wir nahmen gleich zwei…

Noch am selben Tag schauten wir in Kholmsk beim Fähr-Büro vorbei. Das war gegen 18:00 Uhr und tatsächlich kam plötzlich jemand vorbei. So konnten wir die Verschiffung auf´s russische Festland, nach Vanino, noch am selben Tag klar machen … Autsch, das ist teurer als gedacht. Nun gut, wir sollten die Kohlen auf einer Bank einzahlen und am nächsten Tag 12:00 Uhr im Büro sein. Das klingt doch wirklich gut – oder?!
Über Nacht regnete es. So bekamen wir eine klitzekleine Vorahnung vom russischen Schlamm. Die Piste war sofort aufgeweicht, voll der Modder und glitschig. Und das war noch gaaar nichts.
Wir zahlten das Geld bei der Bank ein und erschienen pünktlich im Büro. Jetzt erfuhren wir, dass die Fähre erst morgen fährt, wegen schlechtem Wetter. Nun gut, somit hatten wir Zeit für Besorgungen. Zu unserer Freude scheint es ziemlich viele Ersatzteilläden zu geben. Nach langer Sucherei fanden wir schließlich die dringend benötigte Motoraufhängung (Gummi-Auflage). Es gab so gut wie alles, aber so was braucht hier anscheinend keiner. Der Motor wird wahrscheinlich gleich am Rahmen angeschweißt.
Wie sich das für Russland gehört, noch ne Flasche Wodka gekauft und ab in den Wald zum Pennen. Die Motorhalterung hat Claus noch am selben Abend getauscht.

Motorlager tauschen (Russland)

Motorlager tauschen

So was, und Brot, und Käse, und Wodka, und nette Leute die interessiert vorbeischauen und ne schöne Pennstelle – das macht uns Glücklich … Na-Sdrowije!
Erneut ging es zum Fähr-Büro – diesmal war 10:00 Uhr Termin. Zu unserem Erstaunen war da plötzlich der ältere Japaner von Korsakov mit seinen Jeans-Motorrad-Klamotten. Wie sich herausstellte ist er 70Jahre alt!!! Und er will alleine mit seiner völlig überladenen Karre über Sibiriens Straßen und den nicht vorhandenen Straßen der Mongolei?! Sein voll beladenes Moped hat er unbeaufsichtigt auf den Straßen von Kholmsk stehen lassen!

Suzuki ST250 (Russland)

Suzuki ST250

Da dachten wir uns so: „Mannn, das hier ist nicht Japan – der wird noch viel Spaß haben!“ Na dann mal viel Glück! (und das kam aus vollstem Herzen!). Hoffentlich sehen wir ihn wieder.
Wir hatten großes Glück Sergej getroffen zu haben. Er arbeitet für die Fährgesellschaft. Auf unsere Bitte hin machte er ohne großes Gelaber gleich Kopien von allen möglichen Unterlagen, wie Zollpapiere und russischer Autoversicherung. Jetzt erfuhren wir, dass die Fähre eventuell gegen 13:30 Uhr ankommt.
Anschließend half uns Sergej bei der SIM Karten Organisation. Ohne ihn wären wir wahrscheinlich gescheitert.

Sergej (Russland)

Sergej

Die Registrierung war nicht möglich, da die EU-Reisepass-ID Zahlen und Buchstaben enthält. Die Buchstaben konnten nicht ins elektronische Registrierungsformular eingegeben werden, nur Zahlen. Sergej half mit seinem Pass aus. Jetzt kommen wir für wenig Geld in ganz Russland ins Internet (wir werden sehen). An der Stelle muss gesagt werden: bisher sind wir nur freundlichen Russen begegnet, auch wenn sie viel ernster als die Japaner schauen, ja sogar manchmal ein wenig grimmig. Wobei vor allem die Verkäuferinnen oder andere Sevice-Damen so böse und mießgelaunt dreinschauen. Ja, – wir sind eindeutig in einer anderen Welt …
Zurück im Büro erfuhren wir, dass die Fähre nun wahrscheinlich gegen 14:00 Uhr ankommen soll. Weil dies immer noch nicht ganz klar war, waren wir froh, dass wir nun telefonisch erreichbar waren und uns so Bescheid gegeben werden kann.
Wir latschten ein bisschen im Ort umher und organisierten einige notwendige Sachen.
Tatsächlich, die Fähre war gegen Zwei da. Ein Zug kam heraus, viele Trucks und Autos. Wir hatten also noch Zeit … gleich mal UMTS ausprobieren – funzt, geil, wir haben Internet und müssen nicht mehr rumsuchen und uns vor Banken usw. wo es kostenloses WiFi gibt, postieren.
Jetzt ging es los. Rinn in den Hafen und rauf auf die Fähre.

altes Telefon (Russland)

altes Telefon

Fähre von Kholmsk nach Vanino (Russland)

Fähre von Kholmsk nach Vanino

Kabine auf der Sachalin 8 (Russland)

Kabine auf der Sachalin 8

Noch schnell von Sergej verabschiedet und eine vergammelte Leiter hoch auf den Pier. So was hätte es in Japan nicht gegeben – viiiiel zu gefährlich 😉
Vielen Dank Sergej!!! „Sbasibo balschoi!!!“
Am Bug, unter dem Namen des Schiffes „ CAXAЛИН-8“ war eine kleine Tür – der Eingang für die Passagiere. Wir bekamen unsere Kabine zugewiesen und Essenmarken – wow! Ein Mann führte uns durch den ollen Kahn aus Sowjetzeiten, scheinbar aus den 60ern. Jedenfalls nicht so durchgestylt und modern wie die Kähne auf denen wir zuvor unterwegs waren.

Nach unendlichen Gängen, rechts, geradeaus, links, Treppen hoch, wieder Links-Rechts-Kombination und bis fast zum Ende des Ganges. Da war sie, unsere eigene Kabine mit Betten, Tisch, Stühlen und sogar einem Waschbecken mit Warm-Kalt-Mischhahn – wir waren völlig begeistert (wir hatten zuvor keine Ahnung, dass wir ne Kabine bekommen).

Der Kahn legte dann schließlich gegen 17:00 Uhr ab …so richtig wie man es sich vorstellt – mit der russischen Hymne aus krächzenden Lautsprechern nahm das Schiff seine Fahrt auf.

Hafen von Kholmsk (Russland)

Hafen von Kholmsk

Nun hängen wir in unserer „Luxus-Kabine“ rum und haben alle Zeit der Welt, nämlich ca. 16h (für 250km). Die See ist recht ruhig, aber der Kahn wankt über die langgezogenen Wellen, dass die nicht verschlossene Stahltür direkt neben uns mit metallischen Krachen auf und zu knallen. Jetzt ist uns klar, warum die nur bei gutem Wetter fahren.
Zur Abendbrotszeit suchten wir den Speisesaal – oder besser Bar auf. Über der Theke hing ein „Paulaner“ Schild.

im Speisesaal (Russland)

im Speisesaal

Hier lösten wir unsere Essenmarken ein. Die mürrisch dreinschauende Bar-Dame nahm widerwillig unsere Marken und brachte unser Gourmet-Essen – Muschelnudeln, Kraut, altes Brot und … da kamen in Gunter Kindheitserinnerungen hoch … den Geschmack kannte er doch, was war das doch gleich noch mal oder was sollte das sein? …jaaahh, russische Fischstäbchen (mehr Fischmehl als Stäbchen).
Das fühlt sich alles sooo gut an. Irgendwie haben wir jetzt endlich das Gefühl, dass es richtig los geht. Neuseeland und Japan (auf den Philippinen waren wir ohne Auto) waren zwar schön – aber von einem Abenteuer weit entfernt …
… schaukeln, schwanken, knarzen und eintönige Maschinengeräusche… wir schliefen ein, wie das Babys dabei tun …

Es ist kalt und neblig, als wir vom Nebelhorn geweckt werden. Dann klopft es an der Kabinen-Tür, aber auch nur, weil die Tür verriegelt war, sonst stürmen die Abteilungsverantwortlichen gleich so die Bude. Die mürrisch schauende Dame wollte unsere Bettwäsche.
Wir waren in Vanino…

Pfeil rechts weiter von Vanino bis Tynda

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