Nach ca. 2 Wochen BAM-Road erreichten wir den riesigen Baikalsee, das größte Süßwasserreservoir auf dieser Erde. Das muss man sich mal vorstellen, der ist ca. 640km lang, das ist ungefähr die Strecke München-Berlin, und dabei zwischen 27 und 80km breit. Außerdem ist er auch noch ungewöhnlich tief und misst an der tiefsten Stelle sagenhafte 1642m. Das alles entspricht 20% der Süßwasserreserven der Erde.
Beim Anblick dieses glasklaren Sees und dem dahinter liegenden schneebedeckten Bergen und dem blauen Himmel mussten wir einfach in dem eiskalten Wasser ein Bad nehmen.
Die Mini-Baikal-Fische waren ohne Scheu und hüpften munter um uns herum aus dem Wasser und knapperten uns an.
Nach dem überaus erfrischenden Bad sprach uns ein Mann an. Wir erzählten wo wir her kommen, wie wir den Tag zuvor am Ost-Ufer gescheitert sind und wo wir hin wollen. Er schien sich recht gut auszukennen und wies uns auf einen in der Karte nicht eingezeichneten Weg hin, welcher unweit des Westufers verlief. Wenn es diesen Track tatsächlich gibt, dann wäre das natürlich eine feine Sache und wurde uns auch sehr, sehr viele Kilometer Umweg ersparen.
Schließlich war es dann doch ein bisschen anders. Bei Novoselovo zweigte eine reichlich 300km lange Schotterpiste Richtung Zhigalova ab, welche vermutlich von der GASPROM „geschoben“ wurde. Welch ein Glück für uns. So mussten wir nicht den riesigen Umweg über Bratsk fahren.
Wie üblich war das Gebiet völlig mückenverseucht, aber wir sahen einen Bär. Außerdem wurden wir von einem plötzlich einsetzenden Unwetter erwischt. Es prasselten Kichererbsen-große Hagelkörner auf uns nieder und innerhalb kürzester Zeit war Weltuntergangsstimmung und alles weiß.
Die Piste war mäßig gut und total langweilig, aber wir kamen gut voran. Plötzlich waren wir in einem wunderschönen Tal. Kühe und Pferde liefen frei umher, die kleinen Dörfchen schienen wie ausgestorben, die krummen und schiefen Holzhütten mit ihren bunt angestrichenen Fensterläden,
die unbefestigten Straßen, die grünen Wiesen mit bunten Blumen, Bäume und die im Hintergrund noch kleine, sich dahin schlängelnde Lena – das war Russland wie aus dem Bilderbuch. Als ob die Zeit stehengeblieben ist, irgendwie absolut freidlich.
Es war nicht schwer einen schönen Übernachtungsplatz zu finden, – nur wären da nicht die unzähligen Fliegen, welche mit Vorliebe in Ohren, Nasenlöcher und Augen fliegen. Aber die und die Mücken waren ja noch erträglich …
Alsbald kamen zwei Autos angefahren, die Türen ging auf und zwei sichtlich angetrunkene Russen stiegen aus. Der eine „untersetzt“ und der andere „schlaksig“ (nein, nicht wir, sondern eher Dick und Doof). Die Jungs lallten uns voll und wollten uns unbedingt mitnehmen um eine ordentliche „Ziehung“ zu machen. Wir lehnten freundlich ab und bedankten uns.
Es war unangenehm, da der Dicke seinen Arm gern mal um unsere Hälse legte. Gunter lenkte die beiden Suffköppe ab und, nachdem sich Claus befreien konnte, packte er zusammen, klappte das Dach ein und wir wollten weg … da wird doch tatsächlich dieser dünne Rattenhahn aggressiv und hielt die Hecktür fest, die Claus gerade verschließen wollte, ja, riss sie sogar wieder bis zum Anschlag auf. Das dies ausgerechnet dieser Rattenhahn tat, sah irgendwie lächerlich aus. Nun gut, Schluss mit lustisch, wir können auch anders! Gunter nahm sich der Sache mal an, ein kurzer dominanter Ruck, zappzerapp – die Hecktüren geschlossen, ein böser Blick und die Empfehlung „entspannt“ zu bleiben ließen die beiden recht verdattert stehen. Wir fanden woanders einen Platz und so war auch diese Situation alsbald vergessen.
Nun erreichten wir das Westufer des Baikalsees auf Höhe der Insel Olchon. Es ist eine herrliche Gegend. Viele Wochenendausflügler kamen uns entgegen. Auch eine Gruppe WoMos bzw. WoMo-Trucks mit deutschen, holländischen, österreichischen und schweizer Kennzeichen. Das waren wohl 20 Fahrzeuge (!) und dementsprechend mindestens 40 Leute. Eine Armada auf Asien-Rundkurs also. Die erzählten uns unter anderem von einem Schamanenritual, welchem sie beigessen hatten, „Aber NICHT so ein Touri-Ding“ … das war schon recht lustig…
Es war schon spät und so entschieden wir uns die Fähre auf die Insel Olchon erst am nächsten Morgen zu nehmen. Ein herrlicher, ruhiger und vor allem mückenfreier Platz am See und ein sauberer Fluß, ja, das war die perfekte Pennstelle.
Die Fähre rüber zur Insel war doch tatsächlich kostenlos – kaum zu glauben aber war. Eigentlich war die Insel anfänglich nichts besonderes, aber der See, das Wetter und die nicht vorhandenen Mücken machten sie für uns sehr sympathisch. Wir entschieden uns bis an den nördlichsten Punkt zu fahren. Vorbei an ein paar Käffern wurde es dann waldig … plötzlich standen wir vor einer Schranke und einer „Bude“ voller Leute. Sie erklärten uns, das wir uns erst eine kostenpflichtige Genehmigung in dem ca. 30km zuvor passierten Kaff Chuzhir holen müssen. Nun gut, wir drehten um und holten uns diese Erlaubnis. Als wir wieder am Checkpoint ankamen, waren alle weg und die Schranke oben … häh? … nun gut, soll uns ja egal sein.
Die Gegend war sandig und der Wald hörte alsbald wieder auf. Wir waren fast alleine. Das Wetter verschlechterte sich und es wurde grau. Am Nordkap angekommen fanden wir es ein bisschen Schade, dass das Licht und die Sicht nicht so gut waren. Hey, aber egal – Mückenfreie Zone, das müssen wir ausnutzen. Außerdem hat das Permit-Mädel was von campen erzählt und so suchten wir uns direkt am Kap in einem kleinen Wäldchen einen schönen Platz, welcher eine Feuerstelle, Tisch und Bänke und sogar Plumsklos hatte.
Feuerholz lag noch überall rum und so hatten wir unser erstes Field Gourmet Cuisine Lagerfeuer Schaschlik mit Folienkartoffeln. (In Neuseeland war es ja überall in der Pampa verboten, in Japan pennten wir oft auf Rastplätzen und im Wald gab es nie eine gute Gelegenheit, auf den Philippinen waren wir in Gasthäusern unterwegs und in Russland hatten wir immer dann gerade nix zum grillen).
Ein extremes Farbspektakel, – voll der krasse Sonnenuntergang – rundete den herrlichen Tag ab.
Der nächste Tag war wunderbar und so erkundeten wir bei bestem Wetter den Nordteil der Insel.
Unterwegs machten wir an einem herrlichen Sandstrand, wie am Meer, noch ein Kaffekränzchen und Gunter gönnte sich in den eiskalten Baikalsee ein Bad.
Weil es so schön mückenfrei und erholsam war, verbrachten wir gleich noch eine weitere Nacht auf der Insel. Diesmal hatten wir einen fantastischen Panoramablick.
Es ist schon echt lässig, dass man im Prinzip auf der Insel überall campen kann, auch wenn es ein Nationalpark ist. Es gibt halt nur ein paar Regeln, welche für uns ohnehin selbstverständlich sind.
Auf dem Weg nach Irkutsk nahmen wir eine Abkürzung und kamen so zu einem unfreiwilligen „Offroad-Abenteuer“. So wurde es wiedermal eine schaukelige Angelegenheit, mussten die Schaufel und Sandbleche auspacken und die Seilwinde einsetzen. Kam uns nicht sooo gelegen und schon gar nicht, weil wir uns eine entspannte Tour vorgestellt hatten. Aber nun gut, irgendwie war es trotzdem schön…
Irkutsk, die sibirische Metropole ist nun nicht gerade wie beschrieben das „Paris Sibiriens“, aber stellte sich für uns als durchaus brauchbare Stadt heraus. Es gab schon versteckt sehr reichlich mit Schnitzereien verzierte Häuser, welche es aber nicht mehr lange machen. Hier konnten wir auch endlich unsere Gasflasche füllen, bekamen dringend benötigte Ersatzteile für wenig Geld, tankten den bisher billigsten Diesel, konnten unsere Vorräte füllen und lösten das SIM-Karten Problem, welches uns den Internetzugang nicht ermöglichte. Also, ein rundum erfolgreicher Tag.
Auf dem Weg nach Osten, Richtung Ulan Ude standen überall am Straßenrand diese kleine gelben Tankanhänger mit der roten Aufschrift „Kwas“, das typisch russische Erfrischungsgetränk, aus vergorener Schwarzbrotrinde, Rosinen, Hefe und Zucker.
Gar nicht so schlecht, aber letztendlich doch ganz schön süß und „obergärig“. Interessant war noch der riesige Leni-Kopf im Zentrum von Ulan Ude, den niemand nach der Weltausstellung in Kanada
wollte und er so eben hier gelandet ist. Ein letztes interessantes Sache, bevor wir dann südwärts auf die mongolische Grenze zusteuerten, war eine buddhistische Tempelanlage. Wohl eine der nördlichsten und ganz wenigen in Russland befindlichen.
Der Baikalsee war für uns seit langem eine richtige Erholung … ja, wir wissen schon, es ist ja … ok … wir meinen: baden, Sandstrand, Lagerfeuer, rumlatschen, kaum Leute, keine Mücken, alles entspannt, nichts anstrengendes, kein Sightseeing, kein schaufeln und rumgerenne, kein Auto basteln, keine Organisation … eben pure Erholung…
PS: Für diese vollkommen sinnlose Registrierung, also die Stempel auf der Registrierungskarte (siehe Text Vanino bis Tynda – im Migration-Büro in Vanino) hat sich an der Grenze überhaupt niemand interessiert. Diese Zettel wurden einfach unbeachtet auf einen Stapel gelegt. Wahrscheinlich haben die auch keinen Bock, jedesmal mit den Touris darüber zu diskutieren, wie lange sie wo waren … oder sie haben auch eingesehen, dass es vollkommen sinnfrei ist.