…wie schon im Osten der Mongolei, so auch hier – wo die Gobi aufhört und das Altaj anfängt wissen wir nicht so genau. Ist uns eigentlich auch völlig egal. Wir entschieden uns westlich, an der Grenze zu China nach Norden, und damit zurück zu Mütterchen Russland zu gurken.
Die Karte verzeichnete kaum Pisten in diesem Gebiet. Aber wir wussten aus Erfahrung, dass es sowieso egal ist. In der Mongolei wird nach der Himmelsrichtung und den örtlichen Gegebenheiten gefahren. So schaut man in die Ferne, peilt ein Tal zwischen zwei Bergen an und fährt, wenn es nicht schon eine Piste gibt, einfach querfeldein.
Einmal haben wir uns einen Weg durch ein enges Tal, ja – wir würden eher sagen: Schlucht gesucht. Plötzlich tat sich vor uns ein riesiges Tal auf. In dessen Zentrum befand sich eine grosse Felsformation. Dies war z.B. so ein „Peilpunkt“. Wir steuerten also diese Berge an und fuhren und fuhren und … es dauerte ewig. Wir hatten das Gefühl nicht voran zu kommen. Hier fielen wieder die großen Entfernungen auf.
Es wurde wieder merklich grüner, die Jurten verschwanden allmählich und es gab immer mehr Ansiedlungen. Hier beginnt der schleichende Übergang von den mongolischen Nomaden zu den sich hier niedergelassenen Kasachen. Diese sind zwar auch Nomaden, aber der Trend zu festen Behausungen und Ackerbau ist deutlich erkennbar. Es gibt Moscheen, Bewässerungssysteme, Gemüse, Heuspeicher und diese typischen eckigen Häuser.
Als wir so durch die „Pampa“ eierten, stießen wir plötzlich auf Heerscharen von Trucks, welche auf einer breiten, geschobenen Piste, Rohstoffe nach China transportierten. Natürlich war diese „Straße“ in der Karte nicht eingezeichnet. Wir folgten der Piste ein paar Kilometer, um alsbald nach Westen abzubiegen.
Nach einer Weile standen wir vor einem ausgetrockneten See. Das Risiko zu versumpfen war uns zunächst zu hoch. Also suchten wir einen Weg drum herum. Dieses Vorhaben scheiterte und so mussten wir schließlich doch durch den Salzsee fahren.
Der Track sah sehr schlammig aus und die getrockneten Schollen rechts und links erschienen uns fester und leichter befahrbar. Das sollte sich aber als ein schwerer Irrtum erweisen. Sofort nach Verlassen der Spur steckten wir fest. Ein kurzer Blick offenbarte uns, dass wir bis zur Achse im übelsten Modder aus Salz und extrem lehmigen Schlamm steckten. Jetzt stand fest, dass ein Haufen Arbeit auf uns zukommt. Highlift (überdimensionierter Wagenheber), Schaufel und Sandbleche wurden aus ihren Halterungen genommen und der Erdanker wird auch bald zum Einsatz kommen. Ohne diesen Kram geht gar nix und mit der Winde alleine zieht man auch nicht die Wurst vom Brot.
Normalerweise freuen wir uns immer auf Action, aber in diesem Fall kam es uns recht ungelegen. Abgesehen davon stellte sich die „Bergung“ als schwieriger heraus, als gedacht. Wir konnten kaum in dem Modder laufen, geschweige ordentlich Schaufeln. Alles klebte, war zäh wie sau und extrem lästig. Zu unserer „Freude“ kam nun endlich der Erdanker zum Einsatz, den wir genau aus diesem Grund mit uns herumschleppten. Das Geschaufel ist eh schon anstrengend genug und dann noch das Ersatzrad eingraben, um einen Fixpunkt für das Seil zu haben, ist mal richtig aufwändig. Hier ist so ein Erdanker Gold wert. Schließlich gibt es hier keine Bäume. Mit Highlift, Sandblechen, Seilwinde und Anker konnten wir uns aus dem Modder ziehen. Irgendwie waren wir schon glücklich, den Erdanker nicht umsonst mit rumgeschleppt zu haben. Außerdem waren wir noch laaange nicht durch.
Der Toyo ist mit all dem Equipment und Ausbau sehr schwer, was natürlich für schlammigen Untergrund extrem ungünstig ist. Wir versuchten es mit Geschwindigkeit und Schwung. Dadurch wurde es im Auto recht ungemütlich, da wir auf Löcher und Hindernisse keine Rücksicht nehmen konnten. Die Karre wurde richtig durchgeschüttelt und alles was nicht angenagelt war, flog durch die Kante. Es nütze aber alles nichts, irgendwann steckten wir wieder fest. Diesmal war es ganz feiner, grauer Schlamm. Ideal für die Töpferei. Die Sandbleche waren von dem extrem klebrigen Schlamm so schwer, dass es zu einem Kraftakt wurde, diese unter die Räder zu bringen und rumzuschleppen. Schließlich mussten wir aus den vier Sandblechen eine „Spur“ bauen, welche uns über die schlammige Passage bringen sollte. Abermals kam der Anker zum Einsatz.
Es wurde spät, aber letztendlich haben wir es geschafft und fanden sogar noch einen perfekten Pennplatz mit Wasser. Das tat auch Not, da alles total verschlammt war. Trotz reichlich Wasser konnten wir die Sandbleche nicht so einfach vom klebrigen Schlamm befreien.
Irgendwann waren wir wieder zurück in der Zivilisation und auf der Strasse nach Russland. Ab hier war es wieder einfach und wir kamen voran.
Hinter uns lagen ca. 5000km Mongolei, fast ausschließlich Offroad. Es war eine völlig neue Erfahrung, einfach querfeldein zu fahren und sich seinen eigenen Weg zu suchen. Möglich ist dies durch die Steppenlandschaft. Dies ist auch der Grund dafür, dass einem die Entfernungen in der Mongolei so groß vorkommen.
Mittlerweile merkt man dem Toyota die Strapazen an. Hier und da wurden kleinere Reparaturen nötig. Die Deepcycle-Batterie gab den Geist auf, eine Lage der Blattfeder ist gebrochen, die Frontscheibe hatte einige Steinschläge und Risse. Ebenso ist die Servolenkung ausgefallen. Durch defekten Dichtungen lief die Servopumpe trocken. Damit diese keinen weiteren Schaden nimmt, haben wir kurzerhand die Flügelblätter ausgebaut.
Die Reifen sahen auch recht fertig aus. Es wurde Zeit die Neuen aus Japan aufzuziehen. So suchten wir uns eine Reifenklitsche. Eine völlig abgeranzte Bude. Abgesehen davon, dass wir unseren eigenen Wagenheber verwenden sollten, ging ständig was in dem Werkstattdurcheinander verloren. Dauert mussten die Ventilkappen, der Luftdruckmesser, der Ventilschlüssel usw. gesucht und gefunden werden – voll mongolisch. Die Reifen haben sie mit Benzin aufgezogen. Richtig gelesen – das ist ein geläufiger Trick, wenn man nicht genügen Luft aufbringt, um den Reifen auf den Felgerand zu drücken. Einfach Benzin rein, bisschen verteilen, anzünden, BUMM, und der Reifen sitzt auf der Felge.
Erwähnenswert sind noch diese seltsam anmutenden Schilder wie z.B. „keine Bäume abhacken“ oder „Achtung Kurve“ die mitten im offen Gelände mit Blick bis zum Horizont stehen, wo es weit und breit nix außer Steppe gibt.