…nach der Fährfahrt über die Straße von Kertsch welche das Asowsche Meer mit dem Schwarzem Meer verbindet, hieß es erst mal an der ukrainischen Grenze warten. Schließlich kam ein Grenzer und sammelte Reisepässe ein, zumindest unsere. Irgendwie war es seltsam, es passierte eigentlich nichts, alle standen nur dumm rum. Ab und zu wurde mal ein Auto in den beiden Reihen durchsucht.
Dann kam plötzlich der Hoschi mit den Pässen zurück, ein ganz kurzer Blick ins Auto reichte ihm und wir durften weiterfahren. Häh, das war doch jetzt nicht alles? … Doch das war’s. Somit war es der bisher einfachste Grenzübertritt, da wir noch nicht einmal in irgend ein Büro mussten. Voll der Luxus-Grenz-Service.
Auf der anderen Seite stand eine sehr, sehr lange Fahrzeugschlange. Wir schienen Glück gehabt zu haben.
Als wir zum Geld tauschen gingen, trafen wir noch ein paar Deutsche Motorradfahrer. Natürlich machten wir einen kurzen Plausch und bekamen den Hinweis, dass wir wohl doch um den im Süden von Moldawien liegenden und nicht anerkannten Staat Transnistrien, oder Pridnestrowien, wie die amtliche Eigenbezeichnung ist, herumkommen. Ganz klar war das nämlich nicht, ob wir über die schmale Landzunge bei Bihorod-Dnistrovs’skyi am Schwarzen Meer fahren können. Wir waren uns nicht ganz sicher, ob wir nicht doch durch Transnistrien kommen, wenn wir bei Odessa die Straße Richtung Westen einfach weiterfahren um schließlich nach Moldawien zu gelangen. Es hätte wohl Probleme bei der Einreise von Transnistrien nach Moldawien gegeben. Die Streitigkeiten liegen schon sehr lange zurück, ja es wurde sogar mal von 1991-1992 Krieg geführt. Die Moldawier wollten sich Rumänien anschließen und die russische Sprache sowie die kyrillische Schrift abschaffen. Das Gebiet östlich des Flusses Dnister war damit nicht einverstanden und stand wohl schon immer den Russen bzw. Ukrainern näher. Historisch gesehen eine einzige Achtbahnfahrt. Erwähnenswert ist auch, das Transnistrien von keinem Land anerkannt wird, mit Ausnahme der nicht anerkannten Ländern, die sich in der „Gemeinschaft nicht anerkannter Staaten“ zusammengeschlossen haben. Als da wären: Abchasien, Bergkarabach, Südossetien und eben Transnistrien. Es laufen schon echt viele Schräge Dinge ab und man wird das Gefühl nicht los, dass die Welt der Diplomatie ein einziger gigantischer Kindergarten ist.
Was da auch immer genau abgeht, – uns ist nur wichtig, dass wir da nicht in irgend einen Konflikt rein geraden. Nördlich von Transnistrien wollten wir auch nicht nach Moldawien rein fahren, da wir die Karpaten von Süd nach Nord durchqueren wollten.
Die Krim, die Cote d’Azur des Ostens
Die Halbinsel Krim – die Côte d’Azur des Ostens mit mediterranem Klima (zumindest im südlichen Teil) hat eine sehr bewegte Geschichte. Und jetzt kommt’s: die Krim stand nacheinander unter kimmerischer, taurischer, skytischer, griechischer, römischer, gotischer, samatischer, byzantinischer, hunnischer, chasarischer, kyptschakischer, mongolisch-tatarischer, venezianischer, genuesischer, osmanischer und schließlich russischer Herrschaft. Selbst die Deutschen hatten die Halbinsel im Zweiten Weltkrieg besetzt… das war vielleicht ein hin und her…
… somit ist es auch nicht verwunderlich, das wir bei Kertsch auf eine eindeutig türkische Festung aus dem 17. Jahrhundert stießen.
Für die Nacht fanden wir einen herrlichen Stellplatz an einer Steilküste mit Blick auf das Asowsche Meer und einem „Privatstrand“. Allerdings mussten wir auch eine Weile suchen, weil sich die Verbotsschilder mehren und es immer schwieriger wird sich einfach irgendwo legal und unbeobachtet hinzustellen.
Die süd-östliche Küstenregion machte zunächst nicht allzu viel her. Weiter südlicher und vom krimschen Gebirge abgegrenzt, wird es zunehmend mediterraner. Die steil zum Meer abfallenden und schön anzusehenden Berge bilden eine Wetter- und Klimascheide. Wein und Obstanbau bestimmen das Landschaftsbild. Die kurvige Küstenstraße ist mit ihren Ausblicken auf das Schwarze Meer wirklich schön. Wie zu erwarten war, geht es natürlich sehr touristisch zu. Die Orte sind vollgestopft mit Hotels, Restaurants, Imbissen, Eisständen, Souvenir-Läden, an jeder Ecke gibt es knallbunte Luftmatratzen und Schwimmringe und natürlich alles voller Autos. Regelrechte Menschenmassen besichtigen die Attraktionen und belagerten die Strände.
Wir drehten freiwillig wieder um, als wir den organisierten Massentourismus zum bekannten Wasserfall Dzhurdzhur erlebten. Ebenso scheiterten wir bei einem Versuch tiefer ins Krimgebirge zu gelangen an einem Tor. Verbotsschilder standen auch überall herum.
Das bereits in Kasachstan festgestellte hochfrequente Geräusch wurde immer lauter und beunruhigender. Ein Check verschaffte Gewissheit. Wir nahmen an, dass das Geräusch vom hinteren Diff kommt und es durch die hohle Kardanwelle als Klangkörper verstärkt wird. Zu Testzwecken haben wir die Welle ausgebaut, und so die Vermutung bestätigt: Wir brauchen ein neues Lager und eine neue Quetschhülse für das Diff.
Wir setzten unsere Hoffnung auf Odessa.
Auf der Krim haben auch italienisch stämmige Kaufleute aus Genua abgehangen. Dies bezeugt anschaulich die im genuesischen Stil gebaute Festung Sudak. Sie war der westlichste Außenposten der Seidenstraße.
Ebenso interessant und skurril ist die befestigte Höhensiedlung Mangup Kale, auch Dori genannt, welche zu seiner Zeit die Hauptstadt der Krimgoten war. Erste archäologische Funde können auf das 5. Jahrhundert datiert werden. Nach mehrfachen Kommen und Gehen verschiedener Kulturen und Ausbauten wurde die Stadt letztendlich erst im 19. Jahrhundert aufgegeben und verfiel.
Diese exponiert auf einem Plateau gelegene Siedlung bot eine herrliche Aussicht und die steil abfallenden Felswände einen natürlichen Schutzwall. Quellen hat es hier oben seltsamerweise auch gegeben.
Alleine schon die Anfahrt über die enge, steile und ausgewaschene Piste war fantastisch und die Aussicht von oben war grandios.
Wir fuhren weiter zur Westküste der Halbinsel, um doch noch mal am Strand des Schwarzem Meeres zu übernachten. Eine schönen, ruhigen und geeigneten Platz zu finden, war gar nicht so einfach. Schließlich wurden wir zwar fündig, mussten uns aber leider mit einer Menge Müll arrangieren.
Weiter ging’s schnurstracks nach Odessa.
Von Odessa „der Schönen“ waren wir nun ein bisschen enttäuscht, verheißt doch der Beiname so einiges. Vielleicht war es ja mal schön, davon ist sie aber im Augenblick weit entfernt. Hier kümmerten wir uns um Ersatzteile und wurden auch fündig. Wiedereinmal waren die Leute sehr freundlich und hilfsbereit. Daran haben wir uns schon fast gewöhnt…
Ukraine und Moldawien – irgendwie europäisch
Das unangenehme Geräusch vom Differential wurde immer lauter. Ja sogar die Leute auf der Straße drehten sich bereits nach uns um. Dennoch entschieden wir uns bis Wien so weiter zu fahren, um dort in Edwins Werkstatt die Reparatur durchzuführen. Edwin haben wir damals auf der BAM in Russland kennengelernt. Außerdem hatten wir für den Notfall die Ersatzteile dabei und einen geeigneten Bastelplatz hatten wir ohnehin nicht gefunden. Wie es sich später herausstellte, war das die absolut richtige Entscheidung.
Von Odessa steuerten wir über einen kleinen Umweg die moldawische Grenze bei Basarabeasca an. Hier in der Ukraine kam es uns schon eher europäisch vor, anders als noch an der Wolga in Russland. Irgendwie war alles etwas geordneter, so z.B. die angelegten Felder für die industrialisierte Landwirtschaft und die daraus resultierenden wenigen Möglichkeiten irgendwo einen Nachtplatz zu finden. Was es genau war, können wir nicht sagen. Man merkte es einfach, wahrscheinlich gerade weil wir so lange nicht in Europa waren. Es gab auch übelst moderne, durchgestylte Tankstellen mit Restaurant und vor allem mit kostenlosen Internet-Zugang. Das haben sie bei uns in Deutschland noch nicht geschafft!!! Das fiel uns ganz besonders auf, da wir in Japan schon Probleme hatten einen Internetzugang zu finden. In Zentralasien gab es sowieso kaum eine Möglichkeit.
Auf der ukrainischen Seite der Grenze gab es keinerlei Probleme.
Schließlich betraten wir moldawischen Boden. Im Grunde gab es auf moldawischer Seite auch kein großes Gezeter, nur eine Straßenbenutzungsgebühr wurde fällig. Diese konnten wir aber nur mit Euros bezahlen, da wir natürlich für die kurze Zeit in Moldawien kein Geld extra getauscht hatten. Nun konnte uns niemand in Euro wieder rausgeben, so war am Ende eine seltsames Kuddelmuddel und eigentlich stand noch ein kleiner Betrag aus. Aber es war nun nicht das ganz große Ding, die Grenzer waren freundlich und so haben wir auch gar nicht lange rumgemacht.
Zu Moldawien können wir gar nicht so viel sagen, außer das, dass man die Nähe zur EU spürt, und es moderner ist als gedacht. Auch hier gab es z.B. häufig Tankstellen mit kostenlosen Internetzugang.