An der kirgisischen Grenze angekommen, sollten wir unser Auto auf einem Parkplatz neben dem Grenzübergang abstellen. Ein Mann im Militär-Look fragte woher wir kommen, sackte unsere Pässe ein und war plötzlich verschwunden. Ratlos schauten wir uns um und sahen die lange Schlange am Schalter. Noch bevor wir uns Gedanken darüber machen konnten, kam dieser Zöllner mit unseren Pässen in der Hand auch schon wieder aus einer Tür heraus und wünschte uns einen schönen Aufenthalt in Kirgistan. Fragend schauten wir uns an und checkten die Pässe. Tatsächlich – wir hatten unsere Einreisestempel. Dieser gilt nun für zwei Monate und Mehrfacheinreise ist auch kein Problem. Vom Einsammeln der Pässe bis zur Rückgabe ist ganz sicher keine Minute vergangen. Na das nennen wir mal schnell.
Die Zollformalitäten für das Auto waren auch schnell erledigt und so dürfte das bisher einer der schnellsten Grenzübertritte dieser Reise gewesen sein.
Es ist ein gutes Gefühl, wenn man sich auch von offizieller Seite her willkommen fühlt. Die Kirgisen scheinen das überissen zu haben. Sie freuten sich, dass wir ihr Land besuchen und hoffen natürlich, dass die Touristenzahlen steigen und so etwas Geld ins Land kommt. Sie sind auf dem richtigen Weg. Gut gelaunt freuten wir uns auf Kirgistan.
Reisen bedeutet nicht nur Erholung
Doch zuvor gab es wieder mal was zu erledigen. Viele denken, dass Langzeitreisen die pure Erholung wären. Nun wollen wir nicht sagen, dass es stressig ist, aber nur so Trallala herumeiern kann man auch nicht. Viel zu oft geht dem Vergnügen der bürokratische Wahnsinn voraus. Von Land zu Land variiert das sehr stark, wie man gerade am (positiven) Beispiel Kirgistan erleben konnte.
Für Tadschikistan jedoch braucht man ein Visum. Und dazu noch eine Berechtigung, um den „Pamir-Highway“ befahren zu dürfen. Diese Erlaubnis ist nicht kostenlos, kann aber zusammen mit dem Visum beantragt werden. Der Pamir-Highway verläuft entlang der Grenze zu China und Afghanistan und war lange Zeit Sperrgebiet. Heute braucht man nur noch das GBAO (Gorno-Badakhshan Autonomous Oblast) Permit.
Die kirgisische Hauptstadt Bishkek ist aus einer Karawanenstation hervorgegangen, welche an der Seidenstraße lag. Schön am westlichen Teil des Tian Shan Gebirges gelegen, geht es recht gemächlich zu. Kein Vergleich zum chaotischen Almaty. Da die Stadt nicht besonders groß ist, fanden wir die tadschikische Botschaft recht schnell. Zu unserem Erstaunen waren wir vollkommen alleine und die Botschaft war nicht so heruntergekommen wie die der Usbeken in Almaty. Die Dame am Schalter war nun nicht gerade überschwänglich freundlich, aber das Visum und die Berechtigung für den Pamir-Highway hätten wir innerhalb einer halben Stunde in den Pass gestempelt bekommen, hätten wir genügend US$ dabei gehabt. So mussten wir erst noch ausreichend Korutzen* besorgen.
Weiterhin waren wir höchst erfreut über die sehr niedrigen Diesel- und Lebensmittelpreise. Also ein sehr guter Anfang.
Wir sind nun nicht der Inbegriff der Reisenden, welche alle Sehenswürdigkeiten abklappern müssen, aber wenn der Burana Turm, ein ehemaliges Minarett, auf dem Weg liegt, dann schauen wir uns das natürlich an.
Interessant waren dort neben dem Turm die vielen Steinfiguren menschlicher Gestalt, welche die Bildnisse getöteter Feinde darstellen sollen. Genaueres weiß man wohl nicht. Auch gab es alte Mühlsteine zu sehen, welche von Ackerbau zeugen. Hier ist definitiv die Schwelle vom Nomadenleben zu den sesshaften Menschen, welche Ackerbau und Viehzucht betreiben.
Das Ostufer des riesigen und wegen einem nicht vorhandenen Abfluss leicht salzige Yssyk Kul (Kul od. Köl=See) lud zum Baden und der dringend nötigen Körperpflege ein. Von hier aus wollten wir anschließend eine Rundtour über die Berge bis Barskoon machen. Zunächst ging es durch herrliche Berglandschaft. Wegen leichtem Regen und Nebel war es ein dramatischer Anblick. Es ging über einen Pass und anschließend immer den Fluss entlang.
Unsere Freunde vom Militär
Wir waren so gut wie alleine, fühlten uns frei und verdammt gut … doch was ist das? Och nööhö – das ist doch nicht etwa ein Militär Check-Point?! Doch, isser! Die Verständigung war schwierig, aber wir verstanden etwas von Passierschein und das es gefährlich wäre (wie üblich). Nun gut, dass mit der Gefahr wäre nicht das Problem gewesen … der Schein eventuell auch nicht, wenn es denn nicht ums „gute alte“ Militär ginge. Die Unterhaltung war eher freundschaftlich. Nur einer der drei Militärs war irgendwann davon genervt, dass wir hier so lange rumdiskutierten. Wir wollten doch nur die herrliche Landschaft Kirgistans genießen. Uns war schon klar, dass das die “Gefahr” nur ein Vorwand war. Die wollten einfach niemand im Grenzgebiet zu China haben. Der Jüngste in der Runde war gut drauf und meinte, dass er uns schon durchgelassen hätte, aber seine Kollegen – und eben wegen der Militärsache … nun gut, es nützte nix. Wiedereinmal mussten wir frustriert zurück fahren. Wiedereinmal war der Weg umsonst. Wiedermal war der Plan eigentlich ganz simpel … und das Gute an unseren Plänen ist, dass sie eben so einfach sind …
Nun isses ja nicht so, dass dies die einzige schöne Bergpiste wäre. So fuhren wir über zwei Pässe in Richtung der Kumtor Goldmine, laut Schild “the largest investment project in Kyrgystan”. Das diese Mine von einer nordamerikanischen (genauer: kanadischen) Gesellschaft betrieben wird, sah man schon an den großzügig geschobenen Pisten, den Warnschildern und den vielen Ami-Pick-up. Somit war der erste Streckenabschnitt nicht ganz so idyllisch, dennoch gab es beeindruckende Berglandschaften zu sehen.
Uns war klar, dass der Weg zur Mine eine Sackgasse sein wird. Direkt zur Mine wollten wir ohnehin nicht, und so nahmen wir vorher einen Abzweig über den Suck-Pass. Jetzt waren wir wieder alleine. Die Bergkuppen verschwanden in den Wolken. Das Wetter war düster und dazu kam noch der Schnee. Auf der anderen Seite des Passes beruhigte sich das Wetter und wir kamen an einer weggespülten Brücke an. Erstaunt und ein wenig beeindruckt beobachteten wir einen voll mit Personen besetzten Audi 100 (der ersten Generation), wie dieser den Fluss weiter oben, außerhalb unseres Sichtbereichs, überquerte und auf der anderen Seite der eingestürzten Brücke dem Track weiter folgte, bis er schließlich am Horizont verschwand.
Die sind diesbezüglich echt schmerzfrei. Wo hier überall mit Normalokarren rumgeiert wird?! Da würde bei uns noch nicht mal jemand auf die Idee kommen. An dieser Stelle muss mal erwähnt werden, dass es sehr auffällig ist, wie sich die Gebrauchtwagen-Vorlieben territorial unterscheiden. Im Osten Kasachstans scheinen alle Audi 80 (letztes Model) dieser Welt unterwegs zu sein. In Kirgistan ist der Audi 100 angesagt (der ersten Serie), und fast alle sind weiß. West-Kirgistan und Tadschikistan ist eindeutig Opel-Land.
Wir schlugen unser Nachtlager an der weggespülten Brücke auf. Schließlich wussten wir diesmal von vornherein, dass wir Umkehren müssen. Kurz vor Sonnenuntergang riss die Wolkendecke für ein paar Minuten auf und bescherte uns einen fantastischen Panoramablick auf das Tian Shan Gebirge.
Zurück am Yssyk Köl lernten wir Helen und Jens kennen. Wir haben den Landcruiser der beiden von der Strasse aus gesehen. Das konnten nur Mzungus** sein. Nach kurzem Gelaber war klar, das wir hier zusammen unser Nachtlager aufschlagen. Und weil es so schön war und es einiges zu erzählen gab, blieben wir alle einen weiteren Tag.
Wie aus heiterem Himmel goss es plötzlich in Strömen. Wir hatten bei dem Überfall glatt die zum trocknen ausgelegten Schlafsäcke draußen vergessen. Der Regenguss hörte nach kurzer Zeit auf und die Sonne kam wieder raus. Die Daunenschlafsäcke waren natürlich klitschnass, toll!
Wir staunten nicht schlecht, als aus den Bergen plötzlich Wasser in breiter Front über die Straße zum See floss. Es muss wohl in den Bergen noch heftiger geschüttet haben und da das Wasser ja irgendwo lang fließen muss, kam es zeitversetzt als Sturzflut unten am See an. Der Strandabschnitt auf dem wir noch zuvor mit den Autos gestanden hatten, war vollkommen weggespült. Unser neuer Standort hingegen stellte sich als optimal heraus. Er war weit und breit der einzige trockene Fleck. Schwein gehabt…
Ab in die Berge
Nun machten wir uns auf, um über den Tosor-Pass nach Naryn zu fahren. Genau die richtige Entscheidung. Es war einfach nur wunderbar. Das Wetter spielte mit, die Aussicht war herrlich und wir waren fast die ganze Zeit alleine.
Wie bereits mehrfach erwähnt häuften sich die technischen Probleme. Nun gab es zur Abwechslung mal Probleme mit der Bremse. Irgendwann beim Bergabfahren fiel plötzlich das Bremspedal durch. Der betörende Geruch nach heißer Bremse deutete auf links hinten. Nach dem Abnehmen der Bremstrommel kam uns ein Bremsbelag entgegen geflogen, er hatte sich von der Bremsbacke gelöst. Ersatz gab es nicht. Die Dinger sind aufgeklebt. Kein Problem, dann kleben wir ihn mit 2-Komponentenkleber wieder auf. Damit das Zeug einigermaßen hält, hieß es warten … laaange warten … und damit es nicht zu lange wird, gab es ’ne „Warte-Melone“.
Nach einigen Stunden Panoramawarten riskierten wir es, bauten die Bremse zusammen und fuhren weiter.
Weil wir unvorhersehbare und damit abenteuerliche Wege lieben, suchten wir bei Narin gleich mal wieder eine “Abkürzung”. Es ging durch eine große trockene Ebene, welche von bunten Bergen umgeben war. Irgendwann teilte sich die Piste auf und wir entschieden uns für den Weg am Berg entlang. Wie der andere Weg mitten durch das Tal gewesen wäre, wissen wir nicht, auf dem Weg unserer Wahl mussten wir aber einige Hindernisse überwinden. Die Piste war des öfteren weggespült und es hatten sich viele Abflussrinnen gebildet.
Als wir dann wieder Felder, frische Spuren und eine paar Hütten sahen, wussten wir, dass wir durch sind. Ab jetzt gab es wieder eine deutlich erkennbare Rumpelpiste. Unterwegs öffneten wir sicherheitshalber erneut die hintere Bremse mit den angeklebten Belag um zu schauen, was unsere Kleberei so macht. Zu unserer Freude scheint der Kleber tatsächlich zu halten.
Wo geht`s lang?
Nun hatten wir wieder das alte Problem mit unterschiedlichen Informationen. Laut Karte sollte es eine Verbindung quer über die Berge geben, welcher in der Nähe von Kosh Dobo beginnt und nach Uzgen führen sollte. Das GPS wiederum war der Meinung, dass es keinen durchgängigen Weg gibt. Nun konnten wir es uns wieder aussuchen. Der offizielle Weg wäre ein riesiger Umweg gewesen. Egal – also riskierten wir es.
Anfänglich waren wir noch guter Dinge, aber wie man an den Spuren erkennen konnte, wurde die Piste immer weniger benutzt. Der Track wurde so eng, steil und unscheinbar, dass wir uns entschieden bis zum nächsten Tag zu warten. Schließlich befanden wir uns gerade an einem optimalen Nachtplatz. Am nächsten Morgen nahmen wir den steilen und engen Pfad in Angriff. Oben angekommen stieg zwar nicht gerade unsere Hoffnung auf einen durchgehenden Weg, aber die Aussicht war herrlich. Vereinzelt sieht man an den abgelegensten Stellen immer mal wieder Jurten. Es muss recht beschwerlich sein, das ganze Zeugs an die zum Teil schwer zugänglichen Stellen zu transportieren. Offensichtlich kommen hier nur sehr selten Fremde vorbei, sodass die Kinder, im Gegensatz zu sonst, erschrocken und ängstlich weg rannten oder in der Jurte Schutz suchten.
Irgendwann standen wir in einem Tal vor einem Fluss und der Pfad war nun endgültig zu Ende. Aber selbst dort trafen wir Kirgisen auf Pferden und Eseln. Nach anfänglicher Skepsis kamen sie dann doch näher. Ob die sich über die seltsamen Fremden, die den Weg in dieses abgelegene Tal gefunden haben, wundern? Man kann sich sehr schwer vorstellen, was in ihren Köpfen vor sich geht. Was denken die über uns? Was glauben sie, was wir hier machen und warum? Die Leute ticken sicher anders als wir.
Auf jeden Fall wirkten sie völlig gelassen, schienen sich gar nicht so groß zu wundern. Wahrscheinlich machen wir uns viel zu viele Gedanken…
Na ja, jedenfalls war das der falsche Weg und ob es einen anderen gibt, konnten wir nicht herausfinden. Wir drehten um, und fügten unserem Roman „Der Weg war umsonst“ ein weiteres Kapitel hinzu … wobei, sooo umsonst war der Weg ja gar nicht, schön war es allemal.
So mussten wir dann doch den Umweg über Kazarman fahren um über Jalal Abad Richtung Pamir-Highway im Osten Tadschikistans zu kommen. Der erste Teil der Strasse war zum großen Teil Rumpelpiste und führte über recht hohe Pässe. Unten im Ferghana Tal wurden die Strassen besser auch weil die Kirgisen vieles neu bauen mussten. Die alten Sowjetstrassen führten teilweise durch Usbekistan – und die Usbeken schotten sich mal ordentlich ab.
Der kirgisische Grenzposten befand sich unten im Tal, obwohl die eigentliche Grenze 20km entfernt oben am Pass auf 4200m Höhe ist. Seltsamerweise trafen wir auch gleich wieder Touris in Geländewagen. Es war eine Gruppe Russen. Es ist echt seltsam, dass wir die Tage zuvor nicht eine einzige Touri-Karre gesichtet haben, aber an der Grenze gleich wieder 3-4 Autos.
* einheitliche Bezeichnung für das Geld dieser Welt
** ostafrikanische Bezeichnung für weiße Europäer