Hokkaido empfing uns mit recht gutem Wetter. Das sollte aber leider nicht so bleiben.
Zuerst mussten wir aus organisatorischen Gründen nach Sapporo. Wir mussten unser Visum verlängern, welches am 14.05.2013 ausläuft. Nun nimmt aber die Fähre nach Korsakov/RUS erst am 28.05.2013 ihren Betrieb auf. Uns blieb also nichts anders übrig, als die Kohlen für eine Visumverlängerung hinzulegen.
Wie erwartet war es sehr einfach einen Platz für die Nacht zu finden. Auf Hokkaido ist wesentlich weniger los als auf den anderen japanischen Inseln. Der Grund dafür wurde uns bald klar.
Das Wetter wurde mies. Es war richtiges „Novemberwetter“, alles grau in grau und nass-kalt. Uns war es ja erst mal ziemlich egal, schließlich mussten wir nach Sapporo. Die Stadt macht wie die meisten Städte in Japan nicht so viel her. Aber einen original bayrischen Maibaum haben sie.
Obwohl wir uns die „Adresse“ des Immigrations-Office im Internet rausgesucht hatten, begann trotzdem die Suche vor Ort. Es ist nämlich so, dass es in Japan kein Adresssystem gibt, wie es bei uns bekannt ist. Es gibt keine Straßen und Hausnummern (nur sehr große Straßen haben Namen). So ist es relativ mühselig etwas zu finden. Warum das so ist, wissen wir auch nicht. Die Postboten finden schon ihr Ziel, da die Städte in Zonen aufgeteilt sind. Aber als Fremder eine Adresse zu finden ist teilweise echt schwer. Wir haben auch schon Japaner beobachtet, wie sie telefonieren hin und her gerannt sind, bis sie endlich ihr Ziel gefunden hatten.
Auf dem Amt ging es sehr gemächlich zu – wie man es eben so kennt. Nummer ziehen, hinsetzen, warten, Zettelchen hier und Formular da ausfüllen, erneut Nummer ziehen, hinsetzen und wieder warten, abgeben und alles trotzdem noch mal erklären. Bezahlt wurde unten im EG im Convenient Store, mit der Quittung ging’s dann wieder zurück und nach weiteren 20min waren die neuen Visa im Pass.
Leider war immer noch nicht Schluss mit der Organisiererei. Nun ging es geradewegs ganz in den Norden, nach Wakkanai. Wir sind eh schon im Zeitverzug – schließlich ist der sibirische Sommer kurz und Russland, Mongolei sowie Kasachstan riesig. Wir wollen sicher stellen, dass wir auch wirklich mit der ersten Fähre nach Russland mitkommen und das auch beim Zoll alles klar geht.
Ganz so hektisch ließen wir es aber trotzdem nicht angehen. Unterwegs bewunderten wir einen zugefrorenen See, welcher mit Nebelschwaden überzogen war – und das Mitte Mai.
In den traurigen Ortschaften lag immer noch der zu riesigen Haufen aufgeschüttete Schnee bis über die höchsten Dächer. Mannomannomann, hier muss es im Winter vielleicht Schnee runterhauhen. Der Frühling ist auf Hokaido auch spät dran. Die Bäume haben, wenn überhaupt, einen Knospenansatz. Also noch nichts grünes oder blühende Kirchbäume zu sehen. Es ist auch normal für den hiesigen Frühling, dass es grau ist, der Himmel meistens bedeckt und es regnet viel. Spätestens jetzt wurde uns klar, warum sich hier nicht so viele Japaner niederlassen.
Wakkanai ist ein mittelmäßig hässliches Hafennest. Das ist uns aber egal, wir wollen schließlich nur was organisieren. Also Fähre klar gemacht und die Zoll Mengenke angestoßen.
Weil wir schon mal da sind, haben wir auch noch das „Pflichtprogramm“ nördlichster Punkt Japans, Soya-misaki, „abgespult“ – nun gut, es lag eh fast auf den Weg. Aber ehrlich, da hätten`se nun wirklich was schöneres hinstellen können, als so ein hässliches „Dreieck“.
Von dort ging es immer die Ostküste gen Süden entlang. Is ma nüsch so viel los hier… Vorbei an teilweise zusammengefallenen Funktions-Wellblech-Bauten in trostlose Käfern, viel Landwirtschaft und Schnee. Die Straßen waren für japanische Verhältnis recht schlecht. Es war ein kleiner Vorgeschmack auf Russland.
Unterwegs haben wir noch per Zufall ein kleines Freiluftmuseum von einem Dorf, oder besser: Ansiedlung aus der Jomon-Zeit (zw. 5000-1330 BC), gefunden. Es handelt sich hier um den Omusaro Site Park bei Mombetsu.
Ein kleines Streifenhörnchen, ganz im Ice Age Scrat-Style, es hat sich auch genauso bewegt, beäugte uns neugierig. Ihm sind aber offenbar im Laufe der Evolution die Säbelzähne abhanden gekommen…
In einem traurigen Nest auf unseren Weg übernachteten wir an einem See. Auf dem Weg dahin war schon auffällig, dass hier der Schwan ganz groß angesagt ist – Schwanen Bilder, Schwanen Laternen, Schwan hier und Schwan da … aaahaaa – am Schwanensee. Nun gut, die Enten waren 1000:1 in der Überzahl. Wir sahen nur einen Schwan – wahrscheinlich der Quotenschwan – den gemeinen japanischen SchwaGeSchnaWeiSchwa (SchwarzGelbSchnabelWeißSchwan). Das Beste war aber die öffentliche Toilette. Die Türen öffneten sich automatisch und eine Sanfte Melodie mit Frauenstimme erzählte eine Geschichte – sehr wahrscheinlich eine Schwan-Geschichte, begleitet von Schwanengesängen … das war mal ne Toilette. Der See muss aber total berühmt gewesen sein, denn am nächsten Tag kamen 3 Busse voller japanischer Touristen (nur ein Gaijin [Ausländer] – der aber mit ner Japanerin). Anscheinend waren wir interessanter als der See – zumindest machten alle Fotos von uns und sprachen uns an (naaa gut, es gab nur einen Schwan und das Wetter war … ja stimmt: schlecht).
Irgendwann waren wir dann im Shiretoko Nationalpark, welcher sich auf einer Halbinsel befindet, mit seinen dazugehörigen 5 Seen. Es war wirklich Schade, das Wetter war mies, grau und eben neblig. Wir konnten nur erahnen, was der Park hergibt. Man sah schneebedeckte Berge auf grauem Grund, überall Rehe und Hirsche und mitten im Nationalpark eine zusammengefallene Hütte mit einem ollen Motorrad im Schnee. Als wir uns das genauer ansahen, stießen wir auf Bärenspuren. Ah, alles klar, hier gibt’s tatsächlich Bären…
In der Hoffnung, dass es am nächsten Tag besser wird, pennten wir auf einem Rastplatz außerhalb des Parks.
…das Warten hatte sich gelohnt. Als wir morgens aufwachten, konnten wir durch den Bodennebel schon die Sonne erahnen. Nach dem Frühstück ging es bei immer besser werdendem Wetter los.
Auf dem Weg fuhren wir durch ein Spalier aus Hirschen. Die sind hier überall. An der Lichtung mit der zusammengefallenen Hütte und dem ollen Motorrad hatten wir bei strahlend blauen Himmel einen herrlichen Blick auf die Berge Iwo-yama und Rausu-dake.
Claus wiederholte seine Fotosession vom Vortag und Gunter machte Panorama Fotos und filmte Toyota Fahrszenen. Wie er so zurück zum Auto schlenderte, glotze ihn eine Bärenmutter mit ihrem Jungen an.
Die rannten aber erschrocken davon, als Gunter sich den Bären näherte. Die Bären standen ziemlich nah am Auto und wollten offensichtlich genau dort über die Straße, wo Claus angehalten hatte um Gunter abzuholen.
Gunter nahm gleich die Verfolgung auf und konnte sie wunderbar ein paar Meter weiter bei der Straßenüberquerung filmen…
Wir waren happy.
An den 5 Seen hatten wir ebenso eine herrliche Aussicht und genossen den gerade mal zweiten schönen Tag so richtig mit Kaffee und einem Süppsche.
Auf dem Rückweg versuchten wir unser Glück noch mal an der Stelle, wo wir die Bären zuvor gesehen hatten. Gunter checkte laufender Weise den Straßenrand nach Bärenspuren ab … und … da war ein Monster von Bär und ein etwas kleinerer. Sie waren damit beschäftigt die Erde zu durchwühlen. Offensichtlich suchten sie nach Würmern oder ähnlichem. Sie glotzen zwar kurz, ließen sich aber nicht weiter stören.
Wir beobachteten sie eine Weile mit den Ferngläsern. Leider mussten wir ja schließlich irgendwann auch mal wieder weiter. Unterwegs schlich ein Fuchs am Straßenrand entlang und kreuzte kurz vor der Karre die Straße um dann zu betteln.
Die Füchse sind hier alle nicht gerade scheu, denn das haben wir schon öfters erlebt. Anscheinend bekommen sie ständig was zu futtern, aber von uns hat er natürlich nichts bekommen, schließlich sind die Füchse schon völlig „verwöhnt“ … und siehe da; „… naaa geht doch!“ Er hat sich mal eben schnell eine Eidechse geschnappt, nachdem er gemerkt hat, dass er von uns nix bekommt. Dann zog er mit dem Motto „Ihr denkt wohl ich bin völlig verblödet?!!“ von dannen…
Wie schon so oft, war mal wieder eine Straße, der Pass rüber zur Ostseite des Parks, gesperrt. Dadurch mussten wir einen recht großen Umweg fahren, um auf die andere Seite des Parks zu gelangen.
Der Weg dorthin war todlangweilig und das Wetter verschlechterte sich zusehends. Wieder einmal führte der Weg durch flache, landwirtschaftlich geprägte Gegend und an trostlosen Häuseransammlungen vorbei. Vielerorts sind Gebäude durch den vielen Schnee zusammengekracht. Die meisten der vergammelt aussehenden Hütten waren noch winterfest gemacht. Die Fenster und Türen waren durch Bretter und Holzplatten vor den Schneemassen geschützt.
Plötzlich war die Straße zu Ende; „Hmmm, hast du irgendwelche Hot-Pools gesehen?“ … „Nö, aber die müssen hier irgendwo sein!“ … und siehe da, direkt am Pazifik ein Stein-Pool und wie sich das in Japan gehört, daneben auch gleich eine Toilette – zwar sehr „basic“ aber mit immerhin mit Wasseranschluss (wir sind schon total verwöhnt).
Es war saukalt und so checkten wir erst mal den Pool aus … und tatsächlich, warmes bzw. heißes Wasser. Bier geholt, so schnell wie möglich raus aus den stinkenden Klamotten und rinn ins warme Vergnügen … aber nicht ohne Mütze, denn draußen war es nicht viel über 0°C.
„…Huch, eeendlich mal wieder warmes Wasser! Das tut echt Not!“ … und so weichten wir so eine Weile vor uns hin, bis es uns wirklich zu warm wurde. Wir hatten bereits rote Köpfe und kamen uns vor wie die Onsen-Makaken bei Yudanaka (siehe Honshu-Nord). Deutlich sieht man die Ähnlichkeit der Onsenbesucher. Die Körperhaltung, die Gesichtszüge, und sogar (zumindest in Ansätzen) die Körperbehaarung sind ja wohl der letzte Beweis dafür, dass der Mensch tatsächlich vom Affen abstammt.
… und wäre das Wetter besser gewesen, dann hätten wir auch die russische Kurilen sehen können.
Wir hatten ja nun genügend Zeit und so gondelten wir an einen weiteren See, dem Mashu-ko… und – naaa klar! – es war nass-kalt und neblig. Vom See war rein gar nix zu sehen. Wir schauten in eine weiße Nebelwand.
Kein Problem, wir warten einfach bis es besser wird. So hockten wir wieder in der Karre und freuten uns, dass wir ’ne Heizung haben.
Wieder einmal ging die Rechnung auf. Der nächste Tag versprach gutes Wetter. So genau wussten wir das noch nicht, aber es war vergleichsweise warm und die Nebelschwaden schienen sich allmählich zu verziehen.
Gleich nach dem Aufwachen galt die Aufmerksamkeit dem See. Vom Kraterrand sah man plötzlich einen fetten Berg durch den Nebel schimmern, vermutlich ein Vulkan und man konnte den Kraterrand um den See schemenhaft erkennen. Na also, geht doch. Nach dem Frühstück wird sich der Nebel verzogen haben. Der See war noch ewig vom Nebel bedeckt, was aber einen sehr schönen Anblick bescherte.
Als wir gerade so schön am Aussichtspunkt am Kaffee trinken waren (2. Frühstück sozusagen), wurden wir plötzlich freudig begrüßt. Eine Japanerin, welche wir am Vortag im Nationalpark schon getroffen hatten, hatte dieselbe Idee und stand plötzlich neben uns am Aussichtspunkt. Beim Abschied bekamen wir, wie schon so oft, eine kleine Aufmerksamkeit geschenkt (sog. Omiyage). Diesmal waren es zwei kleine quietschebunte Stoff-Gockel.
Ein anderes Mal waren es Schlüsselanhängerminitaschenlampen (ein schönes Wort) oder Bonbons … jedes Mal sind wir von neuem entzückt…
Unterwegs gab es noch türkisblaue Tümpel zu sehen, bei denen das Wasser aus dem Boden blubbert. Ein Warnschild wies auf die herumlaufenden Bären hin.
Das nächste größere Highlight war aber ein Berg, an dem es kochte, dampfte und brodelte. Die Luft roch vertraut nach verfaulten Eiern (Häh, was meinen die denn mit vertraut?“ – „Nein, nicht was du denkst! Es stinkt nicht ständig bei uns im Auto nach Furz. In ganz Japan gibt es Vulkane und heiße Quellen…“). Heißer Dampf fauchte aus Bodenlöchern, welche durch die Schwefelablagerungen knallgelb waren. Wir sind hier nur hergekommen, weil wir den Dampf gesehen haben. Dass sich uns dann so ein herrlicher Anblick bot, konnten wir da noch nicht ahnen. Hätten wir das gewusst, dann hätten wir hier unsere Frühstückseier gekocht.
Das Wetter wurde wieder zunehmend schlechter, sodass die Aussicht auf den großen Kussharo-ko See mit seiner Vulkaninsel nicht so dolle war. Am nächsten Tag war es wieder grau und nasskalt.
Dafür hatten wir aber am Vorabend noch einen spektakulären Sonnenuntergang
und als wir uns wieder in unsere warme Karre zurückziehen mussten, hörten wir seltsame Geräusche. So ein bisschen wie ein Alien in einem Pod-Renner. Wir brauchten eine Weile bis wir raus gefunden hatten, was das war – Fleeedermäuse. Offensichtlich orientierten sie sich durch ihre Aliengeschrei und beim Sturzflug setzte dieses für Pod-Renner allgemein bekannte Pflupppflupppflupppflupp-Geräusch ein (was du kennst die Pod-Racer nicht, dann schau dir mal „Krieg der Sterne Episode I“ an).
Später haben wir festgestellt, dass es sich dabei um seltsame Vögel handelt. Die flogen uns die ganze Nacht um die Ohren und es klang immer wie ein UFO-Angriff der Aliens auf unser Auto. Wir hofften nur, dass ihre Orientierung auch wirklich gut funktioniert. Unheimlich klang es schon…
Am nächsten Morgen hatten wir viel Spaß beim Beobachten der Militäries, welche um uns herum parkten. Wie überall in Japan, so wird auch bei denen auf extreme Sicherheit geachtet. Die haben doch ernsthaft unter ihre Militär-Geländewagen auf brettel-benem Parkplatz „Wegrollsicherungskeile“ vor und hinter die Räder gelegt. Wir haben auch an parkenden Autos, welche z.B. neben einem Feldweg standen, diese Verkehrshütchen stehen sehen, welche aus Sicherheitsgründen an den Fahrzeugecken aufgestellt wurden. Wenn ein LKW abbiegt, so labert die gesamte Zeit, in der der Blinker betätigt ist, eine Stimme: „Achtung! Ich biege rechts ab … Achtung! Ich biege rechts ab …“ usw. (zumind. nehmen wir an, denn schließlich labert der Blinker Japanisch). Das gleiche beim Rückwärtsfahren. Genauso wie die ganzen Sicherheitsleute an Baustellen, Ausfahrten oder was weiß ich noch wo überall. Auf den Straßen wird auch extrem vorsichtig und schnarchlangsam gefahren. Die sind echt noch langsamer als die Kiwis unterwegs – kaum zu glauben.
Sicherheit geht vor und ist auch wichtig (das mussten wir jetzt wegen der Kinder sagen) – klar, aber das ist schon ein „bisschen“ übertrieben. Auf der anderen Seite machen z.B. nur wenige die Scheinwerfer im Tunnel an. Das Sicherheitsempfinden ist schon irgendwie ein anderes. Die Radfahrer wiederum haben einen Freibrief. Die können fahren wo sie wollen. Das wir auf dem Fußweg von keinem angefahren wurden, grenzt an ein Wunder (denn es wird schon ganz schön rumgeeiert und oft geht es eng zu). Bis auf die übertriebene Sicherheit wird aber sonst alles sehr liberal gesehen. Die Japaner rauchen wie die Schlote, und das überall. In den Ortschaften stehen ein oft einsturzgefährdete Häuser rum, bei denen ich ganz sicher mein Auto nicht in der Nähe abstellen oder unterstellen würde, aber das ist anscheinend kein Problem.
Bei manchen Häusern hat man das Gefühl, da wohnt ein Messi, aber das scheint auch niemand zu stören. Also, sooo krass ist das mit der Regulierung in Japan nicht, wie schon bereits erwähnt. Da kommt es mir bei uns daheim teilweise strikter vor.
…ihr ahnt es bestimmt schon was jetzt wieder kommt … Richtig! Das Wetter war wiedereinmal scheij … äääh schlecht – ja: kalt und neblig und Regen. Wir wollen euch ja damit nicht langweilen, aber das ist echt ein Phänomen. Seit dem wir in Japan unterwegs sind, hatten wir bis auf wenige Ausnahmen, schlechtes und gutes Wetter im täglichen Wechsel. Ob das ein Wetterphänomen ist oder reiner Zufall war, wissen wir nicht. Sollte es jemand besser wissen, kann er sich ruhig dazu im Blog äußern.
Wie auch immer, wir verbrachten wegen dem Sauwetter dann eben zwei Nächte auf dem Rastplatz. Die Fotos müssen eh sortiert und bearbeitet werden und die Webseite aktualisiert sich auch nicht von selbst. Gunter hatte wieder ideale Bedingungen auf „seiner“ Behindertentoilette. Diesmal war allerdings noch zusätzlich eine Heizung am werkeln – das hatten wir noch nie. Keine Angst, dort hat er sich nur Nachts eingeschlossen. Tagsüber hatten wir einen richtigen Tisch mit Stühlen, Stromanschluss und Internetzugang. Wieder mal paradiesische Verhältnisse.
Als Gunter so auf der Behindertentoilette saß, ging plötzlich die automatische Schiebetür auf (die vollelektronische Verriegelung löst sich anscheinend irgendwann automatisch – ganz sicher aus Sicherheitsgründen 😉 ). Ein junger erschrockener Japaner stand vor der Tür und wollte eigentlich nur seinen Reis mit dem warmen Wasser, welches es nur auf der Behindertentoilette gibt, waschen (ja, den jap. Reis wäscht man vor dem kochen aus). Erstaunlicherweise sprach er recht gut englisch (er lebte eine Zeit in Kalifornien) und so laberten sie über dies und das, während beide ihre Arbeiten auf der Toilette verrichteten. Ja, die japanischen Behindertentoiletten sind ein beliebter Ort.
Wie schon erwähnt ist es absolut üblich auf den Rastplätzen zu übernachten. Nur wir sind immer die Ersten die kommen und die Letzten, die am nächsten Tag wegfahren oder eben gleich 2 Tage stehen bleiben.
Am nächsten Tag sprach uns ein Mann an, welcher wohl ein Kollege des jungen Japaners vom Vorabend war. Wir verstanden nicht so recht, wie das nun ist, ob er nun die Nacht in seinem Toyota Hiace verbringt oder nicht oder erst morgen – keine Ahnung. Jedenfalls hatten wir morgens eine Tüte mit zwei Bierbüchsen auf der Motorhaube liegen – vermutlich von einem der Beiden Kollegen. Echt nett – danke!
Das Warten hatte sich wieder mal gelohnt und wir fuhren bei blauem Himmel mit Schäfchenwolken in den Daisetsuzan Nationalpark. Klar war wegen Schneemassen nicht viel los, aber: was ist das? Da steht doch tatsächlich ein Landrover mit italienischem Kennzeichen! Das ist das erste ausländische Fahrzeug welches wir nach über 3 Monaten in Japan gesichtet haben. Wir stellten uns mal eben daneben und latschten so ein bisschen im Schnee umher. Dabei stießen wir auf einer kleinen Lichtung auf eine schneefreie Stelle mit: „ooohhh Blümsche!“ Es handelt sich wieder mal um eine warme Quelle.
Dann kamen die beiden vom Landy auf ihren Skiern von ihrer Bergtour zurück. Sie schauten genauso ungläubig wie wir zuvor, als sie unser Kennzeichen sahen. Es waren die Dänin Hei??? und der Italiener Marco. So verbrachten wir einige Zeit mit Laberei. Es war sehr lustig und interessant, da sie dort arbeiteten, wo wir noch hin wollen – in Kasachstan.
Hoffentlich treffen wir die Beiden wieder. Sie sind auch unterwegs nach Russland und auf dem Weg zurück nach Italien.
Später trafen wir noch einen jungen Japaner, welcher im Trainingscamp war und Mitglied des japanischen Teams der Nordischen Kombinierer (?) ist. Dieser bestätigte uns, wie schon einige Andere zuvor, dass es extrem ungewöhnlich ist, dass Ende Mai noch so viel Schnee liegt und es sei ohnehin viel Schnee dieses Jahr. So was ähnliches haben wir schon öfters in Neuseeland zu hören bekommen: „Nöö, so kalt war es noch nie um die Zeit.“, „Es hat noch nie im Sommer sooo viel geregnet“, „Der Sommer war dieses Jahr besonders schlecht.“ usw. …
In 3 Tagen geht unsere Fähre nach Sachalin. Also mussten wir uns langsam auf den Weg nach Wakkanai machen.
Das letzte Stück an der Westküste ist ziemlich öde und flach. Wir hatten aber einigermaßen gutes Wetter und einen guten Michi-no-Eki, das ist die japanische Bezeichnung für einen Rastplatz, auf dem wir den letzten Tag vor Wakkanai übernachteten.
Nun ist der vorletzte Tag in Japan da … wir schauten beim Fracht-Agenten vorbei, da scheint alles in Ordnung zu sein, bezahlten ihn und suchten eine Bank, um Yen in Rubel zu tauschen. Die Hokkaido-Bank, in der wir Rubel getauscht hatten, war vielleicht eine graue und altmodische Bude. So was hat Gunter zuletzt kurz vorm Mauerfall gesehen. Es wurden Formulare mit 3-fachen Durchschlägen ausgefüllt, eine Stempelkiste voll mit Holzstempeln stand am Platz und mit dem Wechselgeld ist der Angestellte dann quer durch die Reihen seiner Kollegen geschlängelt, hat als Erstes beim nächsten Vorgesetzen vorgesprochen, um dann das Geld vom anderen Ende des riesigen Raums zu holen, welcher die Dimensionen einer durchschnittlichen Turnhalle hat – voll krass …
Anschließend noch ein paar Einkäufe, Post, Wäsche waschen, sowie das Auto ein bisschen säubern, damit der Zoll nicht gleich einen Anfall bekommt. Jo, es ist soweit alles erledigt, jetzt heißt es zurück zur Pennstelle und warten … ach nee, das Auto muss noch „zollfertig“ gemacht werden. Das heißt zuerst mal ein bisschen aufräumen und zum Zweiten, alles wegräumen, was einem russischen Zöllner alles so gefallen könnte und was schnell im Ärmel oder in der Hosentasche verschwinden kann … jetzt ist wahrscheinlich vorbei mit der „totalen Korrektness“ der letzten, reichlich 15 Monate…
Wie von den Japanern erwartet, legte die Eins Soya, unser Schiff, pünktlich um 9:00 ab … Russland wir kommen.